Guy de Maupassant war ein passionierter Segler, der im Laufe seines Lebens mehrere Yachten besaß. In seiner Reportage „Auf See“ kann man mit dem großen französischen Erzähler des 19. Jahrhunderts auf Reise gehen. Warum man sich das nicht entgehen lassen sollte.
Eines der erfolgreichsten Werke von Guy de Maupassant trägt den Titel „Bel Ami“. So verwundert es nicht, dass Maupassant seine Segelyacht Bel Ami taufte, die er übrigens noch 1885, im Erscheinungsjahr des gleichnamigen Romans, kaufte. Wenige Jahre später zählte Bel Ami – der Roman – über 50 Auflagen. Und Bel Ami – die Segelyacht – spielte eine Hauptrolle in Maupassants Reisereportage „Auf See“, die 1888 unter dem Originaltitel „Sur l‘eau“ erschien.
Ob die Reise an der Côte d‘Azur wirklich so stattgefunden hat wie beschrieben ist zweifelhaft, da Maupassant mindestens ein Dutzend Mal große Teile aus früher veröffentlichten journalistischen Arbeiten in den Text von „Auf See“ einfügte. Es ist aber auch unerheblich, denn herausgekommen ist eine unterhaltsame Mischung aus Reisebeobachtungen, Anekdoten und Betrachtungen über das Leben.
Äußerlich kommt das Buch in der Form eines Reisetagebuchs daher, dem Maupassant folgende Einführung voranstellt: „Als ich im letzten Frühjahr eine kleine Kreuzfahrt entlang der Mittelmeerküste machte, habe ich mich damit vergnügt, jeden Tag aufzuschreiben, was ich gesehen und was ich gedacht habe. Kurz, ich habe Wasser, Sonne, Wolken und Felsen gesehen – anderes kann ich nicht erzählen – und ich war einfach in Gedanken, wie man sie spinnt, wenn die Wogen einen wiegen, einlullen und hier und dorthin tragen.“ Das ist natürlich eine Untertreibung, schließlich ist der Autor einer der großen französischen Erzähler des 19. Jahrhunderts.

„Auf See“ von Guy de Maupassant
Und doch ist es eine wunderbare Charakterisierung dieses Buches, denn man lässt sich beim Lesen mit forttragen, und die einzelnen Kapitel sind – mit Ausnahme der Beschreibung des fortschreitenden Reiseverlaufs – inhaltlich nur wenig miteinander verknüpft. Deshalb eignet sich das Buch auch als hervorragende Lektüre eben dort, worauf sein Titel verweist: auf See. Wobei man sich mit ihm in die Zeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts zurückversetzen lassen kann, um sich dabei an Maupassants nautischen Schilderungen genauso zu ergötzen wie an seiner poetischen Sprache, an seinen manchmal melancholischen Betrachtungen genauso wie an seinem mitunter bissigen Spott. Zur Verdeutlichung eine kleine Kostprobe: „Bernard, Raymond und das Barometer stehen miteinander bisweilen im Widerspruch und spielen mir eine amüsante Dreierkomödie vor, wobei eine Figur, die am besten unterrichtete, stumm ist.“ Nautik, Poetik und Spott in einem Satz vereint.
Maupassants „Auf See“ ist im mareverlag erschienen. Das Buch mit hochwertigem Leineneinband im Schuber ist sorgsam übersetzt und ediert sowie mit einem Nachwort von Julian Barnes versehen. Einzig ein Lapsus im Anhang ist uns aufgefallen: dort wird die Bel Ami als ein Kutter mit einem Tiefgang von neun Tonnen beschrieben. Hier sollte es wohl Verdrängung heißen. Wenngleich das bei einem Verlag verwundert, der sich doch dem Meer verschrieben hat, ist es sicherlich nur eine lässliche Sünde. Und möglicherweise in der derzeit erhältlichen Auflage bereits korrigiert.
Guy de Maupassant: „Auf See“. mareverlag, Hamburg 2012 (6. Auflage). 208 S., geb., 26,- Euro. Mit einem Nachwort von Julian Barnes.