Dieses Buch ist nichts für zartbesaitete. Heinrich Hausers Reisebericht „Die letzten Segelschiffe“ gibt einen ungeschönten Einblick in eine untergegangene Welt.
Über wenige Segelschiffe ist so viel geschrieben worden wie über die Pamir, einen der legendären Flying-P-Liner der Reederei Laeisz. Die meisten Bücher handeln dabei vom tragischen Ende der Viermastbark, die 1957 in einem Hurrikan etwa 600 Seemeilen westsüdwestlich der Azoren unterging. Zu diesem Zeitpunkt war sie als Segelschulschiff unterwegs, das nebenbei Fracht transportierte, mit einer Besatzung von über 80 Mann (hauptsächlich Kadetten).
Nur 33 Mann zählte dagegen die Besatzung bei der Fahrt um Kap Horn im Jahr 1930, von der Heinrich Hauser in seinem Buch „Die letzten Segelschiffe“ erzählt. Damals war die Pamir noch ein reiner Frachtsegler, auf Salpeterfahrt zwischen Chile und Europa. Und schien doch schon aus der Zeit gefallen. So bemerkt Hauser: „Im Grunde haben nur noch sehr wenig Menschen Lust zur Segelschiffahrt. Die Vorzüge, die die Dampfer für die Besatzung bieten, sind zu deutlich und bestechend: drei Wachen statt zweien, leichtere Arbeit und kürzere Reisen.“ Um mit letztem Punkt anzufangen: Die Hin- und Rückreise einer Salpeterfahrt dauerte leicht neun bis zehn Monate. Und was die harte und oft gefährliche Arbeit an Bord angeht, so wird in „Die letzten Segelschiffe“ ausführlich darüber berichtet. Zum Beispiel über einen Sturm bei Kap Horn:

„Die letzten Segelschiffe“ von Heinrich Hauser
„Voraus war eine Wand aus Hagel und wehendem Wasser. Die Lichter der ‚Pamir‘ waren tief in rote und grüne Wasserwolken getaucht. In der Takelage über mir schliff und knallte die Leinwand eines zerrissenen Segels. Ganz leer war es an Deck. Kapitän, Steuerleute und alle Mannschaft hing wahrscheinlich oben an den Raaen, um Segel zu bergen. Hagel brannte die Haut. In den Luvwanten sah ich Menschen stehen, regungslos übereinandergetürmt, fünf oder sechs. Sie konnten nicht weiter – durch Winddruck angenagelt. Das Atmen fiel mir schwer. Ich hätte nicht schreien können gegen diesen Wind. Auch die Menschen im Mast waren ganz still.“
Das Zitat vermittelt übrigens einen schönen Eindruck von Hausers Schreibkunst, die sein Verleger Gottfried Berman Fischer wie folgt charakterisierte: „Mit der Sprache konnte er umgehen wie mit dem Besansegel, zupackend und mit festem Griff.“ Wobei für dieses Buch der Begriff Triggerwarnung erfunden worden sein könnte. Denn einige der Schilderungen sind definitiv nichts für zartbesaitete. Zum Beispiel das Kapitel „Einer kommt von oben“, in dem ein Matrose aus dem Mast fällt – der erste von insgesamt drei solchen Fällen auf dieser Reise.
Dennoch ist dieses Buch eine faszinierende und lohnenswerte Lektüre. Was wohl in der Vergangenheit schon viele so gesehen haben. Denn Hausers Buch „Die letzten Segelschiffe“ wurde bereits in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg mit insgesamt 18 Auflagen bei S. Fischer zum Bestseller und auch danach immer wieder von verschiedenen anderen Verlagen neu aufgelegt. Zuletzt in dem hier vorgestellten Nachdruck der 7.-10. Auflage 1931, das von seinem Herausgeber mit einem ausführlichen Kommentar versehen wurde.
Heinrich Hauser: „Die letzten Segelschiffe“. cp Verlag, Hamburg 2020. 398 S., geb., 28,- Euro.