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Wellen, Wind und Wein – oder wie sehr Seefahrt und Wein zusammengehören

von Lazy Jack

Streckenplanung einmal anders: Eine gedankliche Segelreise rund Europa zu Orten, die Seefahrt und Wein miteinander verbinden.

Für einen Freund von mir beginnt ein Segeltörn eigentlich erst, wenn er in einer schönen Bucht vor Anker liegt und, im gütigen Schein der Abendsonne, gemütlich einen Rosé im Cockpit trinkt. Er lebt übrigens am Mittelmeer, genauer auf Malta, dieser kleinen Inselgruppe einen Tagesschlag südlich von Sizilien. Und damit in der Nähe eines der zahllosen Weinbaugebiete im Süden Europas, wo Weintrinken fest im alltäglichen Leben verankert ist. Wer dagegen vor allem in nördlicheren Breiten unterwegs ist, wird Segeln vielleicht nicht so selbstverständlich mit Wein in Verbindung bringen. Obwohl es auch dort Häfen gibt, die sowohl dem Segler wie dem Weinliebhaber etwas zu bieten haben.

Wie sehr Segeln und Wein zusammengehören wurde mir auf einer Segelreise rund Europa bewusst: von der Ostsee ins zentrale Mittelmeer kam ich an einigen Weinorten vorbei, manche mehr, andere weniger bekannt. Aus Zeitgründen musste ich damals die meisten von ihnen links – pardon: an Backbord – liegen lassen. Hätte ich damals allerdings meine Route nach Orten bestimmt, die Seefahrt und Wein miteinander verbinden: es hätte sich  eine Vielzahl interessanter Anlaufhäfen ergeben.

Orte, wo sich Seefahrt und Wein verbinden

In der Ostsee zum Beispiel bereits Lübeck, bekannt für seinen Rotspon – im Faß aus Frankreich eingeführten Rotwein. Bereits seit dem 13. Jahrhundert wurde er vor allem aus Bordeaux in die Hansestädte verschifft, insbesondere nach Bremen, Hamburg und Lübeck. Dort reifte er zunächst weiter und wurde ursprünglich meist direkt vom Faß gezapft, später dann in Flaschen abgefüllt. Vom Lübecker Rotspon wird erzählt, dass sich während der napoleonischen Kriege, als die Stadt von den Franzosen besetzt war, die Soldaten ausgiebig in den dortigen Weinkellern bedienten. Angeblich schmeckte ihnen der Rote dort besser als zu Hause. Warum das so war wollte man viele Jahre später in einem Experiment klären: Man füllte in Bordeaux den gleichen Wein in mehrere Fässer, von denen einige in Bordeaux blieben, andere nach Lübeck gebracht und eingelagert wurden. Nach angemessener Reifezeit ergab eine Weinprobe, dass der Lübecker Wein tatsächlich besser mundete. Offenbar gewannen die Weine durch die Seereise und das milde Seeklima Lübecks an Reife und Geschmack – so erklärt es jedenfalls ein führender Hersteller des Lübecker Rotspons. Auch in Hamburg wird übrigens bis heute Rotspon hergestellt und ist auf vielen Weinkarten zu finden. Die Hansestadt könnte also den nächsten Anlaufpunkt einer Weinsegelreise rund Europa bilden.

Zugegebenermaßen ergäbe sich danach, entlang der Nordseeküste und des Englischen Kanals, für den segelnden Weinfreund eine Durststrecke. Dort sind keine nennenswerten Weinbaugebiete oder -traditionen zu finden. Wer einen Sinn für Besonderheiten hegt, könnte auf Jersey Station machen. Dort befindet sich tatsächlich ein Weingut, wobei manche Besucher mehr dessen Cidre als dessen Wein empfehlen. Vielleicht deshalb produziert das Gut neben diesen beiden Produkten auch noch Gin, Vodka, Brandy, Black Butter, Marmeladen, Könfitüren, Schokoladen und Pralinen.

Ein Höllenort als Paradies

Erst mit der Biskaya ginge diese Durststrecke zu Ende, denn dieser von Seefahrern bisweilen als Höllenort gefürchtete Golf ist für Weinliebhaber das reinste Paradies. An ihren Küsten und dem sich daran anschließenden Hinterland liegen einige der besten und bekanntesten Weinbaugebiete der Welt. Natürlich könnte man zunächst einen Abstecher nach Nantes machen, bekannt für Muscadet. Eine andere Hafenstadt aber, die erste, nach der ein weltberühmter Wein benannt ist, dürfte das Herz jedes Weinliebhabers noch höher schlagen lassen: Bordeaux, der wohl bekannteste Ort, an dem sich Seefahrt und Wein verbinden. Auf dem Weg dorthin auf der Gironde passiert man übrigens Pauillac, das über eine eigene Marina verfügt.

Außerdem kommt man direkt am Château Beychevelle vorbei, einem der berühmtesten Weingüter von Bordeaux. Auf einen seiner früheren Besitzer, Jean Louis de Nogaret de La Valette, Admiral von Frankreich um 1600, geht einer Legende nach der Name des Châteaus zurück: als Zeichen der Gefolgschaft strichen alle französischen Schiffe, die an dem weniger als einen Kilometer von der Gironde entfernten Château vorbeikamen, die Segel. Dieses Segeleinziehen – bacha velo in der Sprache der Gascogne – führte zum Namen Beychevelle. Die Flaschen des Weingutes zieren bis heute übrigens Segelschiffe. Auch andere Châteaux sind mit der Seefahrt verbunden. So das Château Latour, ein weiteres berühmtes Weingut, das ursprünglich als befestigte Anlage nur 300 Meter von der Gironde entfernt erbaut wurde, um im Hundertjährigen Krieg Angriffe über den Fluß abwehren zu können – wohlgemerkt Angriffe der Franzosen gegen die Engländer, da Bordeaux ja von 1152 bis 1453 der englischen Krone untertan war.

Seefahrt und Wein: Rabelos zum Transport von Weinfässern in Porto

Rabelos zum Transport von Weinfässern in Porto

Die Engländer und die englische Seefahrt sind auch untrennbar mit einigen der berühmtesten Weinbaugebiete verbunden, die sich entlang der weiteren Segelroute befinden. Da ist zunächst einmal Porto, eine weitere Hafenstadt, die einem ganzen Wein ihren Namen gab. Ende des 17. Jahrhunderts suchten die Briten, die sich in zunehmender Rivalität mit Frankreich sahen, nach einer Alternative für den beliebten französischen Rotwein. Zu dieser Zeit begannen unternehmungslustige britische Händler drei Tagesreisen mit dem Maulesel stromaufwärts von Porto mit dem Weinbau, der allerdings zunächst bei britischen Rotweinliebhabern keinen Anklang fand. Irgendwann kam jemand auf die Idee, die Gärung mit Branntwein zu stoppen, und erfand so das, was heute als Portwein bekannt ist. Port wurde dann bis Anfang des 20. Jahrhunderts der meistgetrunkene Wein in Großbritannien, und noch heute zeugen die Namen vieler bedeutender Portweinhäuser von ihrer britischen Vergangenheit.

Hafenstädte und Inseln als Namensgeber von Weinen

Auch die Namen einige der bekanntesten Sherry-Erzeuger zeugen von britischem Einfluß. Und über die Hafenstadt Cádiz, einem schönen Zwischenstop für einen Segler auf dem Weg zur Straße von Gibraltar, wird der Sherry nun schon seit Jahrhunderten in alle Welt exportiert.

Cádiz würde sich auch als guter Ausgangspunkt für eine Überfahrt nach Madeira eignen. Im Falle Madeiras hat gleich eine ganze Insel einem Wein ihren Namen gegeben. Und der Wein dieses Namens ist auf besondere Weise mit der Seefahrt verbunden. Der Madeira wurde in großen Mengen in die britischen Kolonien in Amerika und der Karibik, sowie die portugiesischen Kolonien in Brasilien, Angola, Mozambique oder Macau verschifft. Dabei stellte man fest, dass der Wein umso besser wurde, je länger die Reise dauerte und sich das Schiff in tropischem Klima aufhielt. Eine Zeit lang wurde Madeira als Ballast extra nach Ostindien und zurück geschickt, um Weinliebhabern in Europa einen noch größeren Genuß zu bieten. Noch heute lagern in den Kellern einiger Produzenten solche Weine, die als sogenannte vinhos de torna viagem klassifiziert sind.

Vielleicht möchte man aber die Gefahren der offenen See meiden und stattdessen lieber weiter entlang der Küste fahren. Dann würde man einfach durch die Straße von Gibraltar die spanische Küste Richtung Valencia hochsegeln. Auch wenn es entlang dieser Strecke keine weltberühmten Weinbaugebiete gibt, sind mit Málaga, Alicante und Valencia drei bedeutende Hafenstädte gleichzeitig Namensgeber großer Anbauregionen, die, wie es in einem bedeutenden Weinführer heißt, durchaus interessante Weine liefern.

Seefahrt und Wein: Qual der Wahl im Mittelmeer

Seefahrt und Wein: Alghero auf Sardinien ist Wein- und Hafenstadt

Alghero: Wein- und Hafenstadt

Spätestens in Valencia wird man dann vor die Qual der Wahl gestellt. Weiter nach Nordosten, um über die katalanischen DOs wie Tarragona und Penedes schließlich die Weingebiete entlang der französischen Mittelmeerküste zu erkunden, zunächst im Languedoc, dann in der Provence, wo mit dem Bandol wieder einmal ein Wein nach einer Hafenstadt benannt ist? Oder über Mallorca direkt nach Westen, einen großen Schlag rüber nach Sardinien. Dort liegt an der nordwestlichen Küste die kleine Hafenstadt Alghero, wo laut dem eben zitierten Weinführer „eine der niveauvollsten Kellereien Italiens die idealen natürlichen Gegebenheiten eigensinnig ausnutzt, um alle Regeln auszuhebeln“. Und auf Sizilien liegt mit Marsala eine weitere Hafenstadt, die einem Wein ihren Namen gab, der wieder einmal mit England, genauer gesagt mit zwei Engländern, verbunden ist: einmal einem Mann namens John Woodhouse, der 1773 die Marsala-Produktion ins Rollen brachte, und dann mit einem Seefahrer, Admiral Nelson, der 25 Jahre später seine Flotte mit diesem Wein ausstattete. Wie auch immer man sich entscheidet, man wird mit leckerem Wein belohnt.

Selbst auf Malta, dem damaligen Ziel meiner Reise, wird übrigens Wein hergestellt. Auch wenn ein Großteil aus italienischen und spanischen Trauben gekeltert wird, gibt es vereinzelt lokalen Weinbau, der auch international Anerkennung findet. So gehört eines der Weingüter dem italienischen Weingiganten Antinori. Die Malteser fühlen sich wiederum besonders mit Sizilien verbunden. Mein maltesischer Freund jedenfalls trinkt am liebsten Rosato von dort. Ich dagegen halte es bei Wein mit Hugh Johnson, dem britischen Weinpapst: „Das Schönste an der Sache ist ja die Abwechslung: Man könnte ein ganzes Leben lang jeden Tag einen anderen Wein probieren und würde doch immer noch dazu lernen“. Am liebsten allerdings in der Plicht eines Segelbootes, als perfekten Begleiter für einen Sonnenuntergang am Meer.

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